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Claus Wolfgang

Hallo und Grüß Gott, mein Name ist Claus-Wolfgang und ich bin Alkoholiker. Hier ist meine Geschichte und ich glaube, dass sie gut genug ist, um auf euren wunderbaren Seiten, gelesen zu werden. Claus Wolfgang Hemmann ...ein trockener Alkoholiker erzählt seine Geschichte

Ich wurde 1935, also vor dem zweiten Weltkrieg geboren, besuchte die Volksschule vier Jahre in den Kriegsjahren, um von Hilfskräften mehr schlecht als recht unterrichtet zu werden und hatte 1945 bei Kriegsende gerade mal die Hälfte meiner Schulzeit hinter mir, um dann wiederum noch weitere vier Jahre, in der Nachkriegszeit, ohne große Hilfe von qualifizierten Lehrern, die Schulbank zu drücken. Und ich werde nach dem Krieg in der neuen DDR aufwachsen. Mitteldeutschland und damit auch Thüringen - hatte keine guten Karten in der großen Politik, denn was die Amerikaner besetzt hatten, gaben sie für Berlin an die Russen weiter und somit bin ich ein Kind der Ostzone geworden.

Ich begann eine Lehre als Schildermaler und später in der Berufsschule war ich schnell der Beste und bekam schon nach meinem ersten Jahr eine Urkunde als bester Schildermalerlehrling der Klasse mit dem Bildnis Stalins auf der ersten Seite. Und nach einem Spruch von diesem J.W.Stalin steht noch in dunkelblauer Schrift gedruckt: "...verpflichten auch dich, dein politisches und fachliches Wissen zu erweitern, um als aktiver Kämpfer für den Frieden und ein Meister deines Faches zu werden." Noch vor vier Jahren, lag zu meinem Geburtstag im Januar 1945, das Braunhemd mit dem Hakenkreuz für das deutsche Jungvolk als Geschenk auf den Tisch, um es dann nach drei Monaten, vor dem Einmarsch der Alliierten, schnell zu verbrennen. Im August 1952 habe ich meine Prüfung für den Gesellenbrief mit einem "sehr gut" und mit "Auszeichnung" bestanden.

Mit einem Freund zusammen habe ich mich Anfang 1954 in einem HO-Kaufhaus in Rudolstadt beworben und wir beide haben dort bereits Ende April angefangen als Schaufensterdekorateure zu arbeiten. Dem Kaufhaus in Rudolstadt gegenüber war das Gericht und aus diesem sah ich, aus meinem Schaufenster heraus, immer wieder eine besonders auffällig, hübsche Blondine kommen. Eines Tages habe ich sie angesprochen und am Samstag darauf waren Traudl und ich zum ersten Mal Tanzen im Theaterrestaurant am Park. Ich verliebte mich in dieses bildhübsche Mädchen und hatte eine unbeschwerte Zeit, von allen bewundert, geachtet und geliebt. Das Leben mochte mich.

Eines Tages hat mir Traudl zu verstehen gegeben, dass sie es in der DDR nicht mehr aushalte und sie über Berlin "abhauen" will. Wir hätten eine wunderbare Zeit gehabt und sie sei sehr glücklich mit mir gewesen. "Vielleicht sehen wir uns irgendwann einmal wieder", hat sie am letzten Samstag nach dem Tanzen noch gesagt und ein paar Tage später war sie ganz einfach verschwunden und Hanna, ihre Schwester, sagte mir, dass sie es wahrgemacht habe und im Westen sei. An irgendeinem Abend und ein paar Tage später, habe ich mich mit Freund Dieter über dieses Thema unterhalten, was bis dahin für mich nie zur Diskussion gestanden hat, auch habe ich nie darüber ernstlich nachgedacht... aber jetzt auf einmal war alles so klar und so verlockend und auch so logisch. "....was meinst du, Dieter, wollen wir nicht auch?" Dieter ist weder erschrocken noch war er überrascht, er hat mich nur angesehen und leicht gelächelt und er hat mit dem Kopf genickt.

Es war 1957 und ich war Zweiundzwanzig. Drei Wochen später saßen Dieter und ich, mit einem provisorischen DDR-Ausweis in der Tasche, im Interzonen-Zug nach Stuttgart. Wir wollten zwei Wochen bei irgend einer Tante Urlaub machen und wir wollten in Westdeutschland bleiben. Doch Westdeutschland wollte uns nicht haben, keine Arbeit und damit kein Geld und dass mitgenommene, im Mantel eingenähte Ostgeld, umgetauscht in Westmark, hielt den Versuchungen der vollen Schaufenster nicht lange stand. Ich schrieb einen Brief an meine Tante in Coburg und habe sie um Hilfe gebeten. Sie hat mir zurück geschrieben, ich soll nach Coburg kommen und ihr und Onkel im Gardinengeschäft behilflich sein. Das schaffte ich gerade mal ein Jahr lang. So wollte ich meine Zeit nicht vergeuden.

Der Zug brachte mich nach München. Noch war ich ein Suchender und trotzdem war ich mit meiner Entwicklung der Dinge nicht unglücklich. München, fast ein Zauberwort in meiner Gedankenwelt und nun stand ich hier, München Hauptbahnhof. Im Alter von 9 Jahren war ich mit meiner Mutter hier in München, in Kochel am See und in Garmisch. Diese Kindheitserinnerungen mit den Bergen und Seen hatte ich in all den Jahren nicht vergessen und nun stand ich wieder hier in München. Und München sollte mein "Zu Hause" für mein weiteres Leben werden. Doch erst Mal musste ich Fuß fassen und auch Geld verdienen. Ein halbes Jahr auf den Bau arbeiten, hat mir nicht geschadet und danach wurde ich Reisedekorateur für alle Apotheken im großen Freistaat Bayern.

Es wurde eine wunderbare Zeit, aber es war auch eine Zeit in der sich bei mir erste Anzeichen in meinen Trinkgewohnheiten mit Alkohol zeigten. Immer öfter wachte ich morgens auf und hatte Verlangen auf eine Flasche Bier. Aber was soll es, ich lebte hier in Bayern und da gehörte das Bier zum täglichen Leben. Nach vier Jahren verlor ich diese Arbeit durch eigenes Verschulden. Ich war unzuverlässig und unkonzentriert und brachte trotz guter Leistungen in meinem Beruf, schlechte Verkaufsergebnisse von meinen Touren mit. Ich hatte in der DDR nie gelernt mich zu behaupten. Sollte das nun ein Nachteil für mich werden?

Wir schreiben das Jahr 1963, ich lebe in München-Schwabing und ich habe wieder eine gute Anstellung in einem großen C&C-Markt. Ich verdiene gut und das Leben unter Künstlern, Studenten und Individualisten ist mein Leben. Mein geliebter Beruf und das pure Vergnügen, dass war meine Welt geworden, eine gefährliche Welt, eine Welt die Träume vorgaukelte und die Realität ausklammerte. Aber was konnte mir schon passieren? Mir gefiel dieses Leben, dieses Leben auf welches ich immer gewartet hatte. Dazugehören oder auch manchmal nur dabei sein. Schwabing wurde mein Leben ohne Wenn und Aber und Schwabing hat mich gemocht und sehr verwöhnt. Schwabing hat mich aufgenommen und war charmant genug, um mir alles zu geben wonach ich verlangt habe. Und ich habe nicht nachgefragt ob Schwabing je etwas von mir zurück verlangen würde.

Machte ich eigentlich alles richtig in meinem Leben...? Sorgen machte ich mir keine, warum auch, aber aufgefallen ist mir doch so einiges was nicht in Ordnung sein konnte. Es war noch ganz normal mit Freunden in einem Lokal zu sitzen und ein paar Bier zu trinken. Und wenn der Eine oder der Andere oder auch ich mal eine Runde Schnaps spendierte, dann war das doch das Normalste der Welt. Wenn ich aber dann am nächsten Morgen kurz nach Sieben mir im kleinen Lebensmittelgeschäft nebenan noch schnell vor der Arbeit eine Flasche Wermut Martini besorgte und davon ein volles Glas austrinke...? Na ja, was soll es, da gibt es doch den bekannten Spruch "Du sollst am Morgen mit dem zu trinken anfangen mit dem du am Abend zuvor aufgehört hast und es geht es dir gleich wieder besser." Ich habe zwar nie am Abend Wermut getrunken, aber am Morgen kam mein Allgemeinbefinden mit diesem Glas Martini schneller wieder auf Touren. Also, es wird schon alles in Ordnung sein und ein bisserl zu viel Trinken, tun doch so viele in Schwabing. Außerdem war ich immer pünktlich, machte meine Arbeit korrekt und kam mit allen Kollegen prima aus.

Es ist 1968 und es ist der Tag an dem ich Christa kennen lernte. Meine Arbeit führte mich zu einer Neueröffnung eines riesigen Lebensmittelmarktes. Ich bin mit der Beschriftung der Abteilungen beschäftigt und unter mir, auf der anderen Seite des breiten Ganges, plagte sich ein sehr hübsches, dunkelhaariges und auch sehr junges, zierliches Mädchen mit dem Aufbau einer Werbeinsel mit schweren Waschmittelpaketen herum. Warum mein Blick, beim betrachten des geschäftigen Treibens unter mir, gerade bei ihr hängen blieb?, ...die Kleine hatte eben eine Flasche Bier zum Trinken angesetzt und trank diese in einem Zug leer ....stark, dachte ich bei mir und als sich unsere Blicke auch noch trafen, da sie ja beim trinken nach oben schauen musste und ich ihr beim hinunter sehen von der Leiter, zuschaute....platzte ich mit einem nicht gerade besonders originellen "sie saufen aber nicht schlecht," heraus. Sie lachte selbstbewusst mit ihren großen, braunen Augen zu mir herauf und sagte im schnellen, mir bis dahin, unbekannten Dialekt, so etwas wie "schmeckt doch wie Wasser!" Ab diesem Augenblick waren wir unzertrennlich. Und sie kam aus der Eifel und sie war eine richtige rheinische Frohnatur.

Wir wohnen zusammen mit meinen Eltern in einem Haus am Ammersee und haben im Oktober 1970 geheiratet. Es ist wieder einmal Montag und ich sitze wieder einmal zitternd in meinen Sessel und weiß nicht wie ich es schaffen soll nach München zur Arbeit zu fahren. Ich fühle mich so schlecht wie schon lange nicht mehr und ich habe ganz furchtbare Angst wie es weiter gehen soll mit mir. Widerwillig nehme ich mit beiden Händen die Flasche Bier, welche ich mir aus dem fast leeren Kasten im Keller geholt habe und trinke. Die Hände zittern und einen Teil des Bieres verschütte ich und aus den Mundwinkeln läuft mir das Bier über den Hals auf den Bademantel. Der Geruch ist ekelig und würgend stürze ich ins Bad und schaffe es gerade noch bis zum Waschbecken. Das Würgen ist grausam und viel kommt aus dem leeren Magen auch nicht. Im Spiegel über dem Becken schaue ich mein blasses und verzerrtes Gegenüber an... das soll ich sein? Mit dem Handtuch wische ich mir den Speichel vom Kinn und schlürfe zurück ins Wohnzimmer. Christa ist wach geworden. Wortlos steht sie vor mir und ich schäme mich, sie anzuschauen. Sie sagt nichts und es ist mir recht so. Was hätte ich ihr sagen können und was hätte sie an diesem Montagmorgen als Entschuldigung akzeptiert? Und noch am Hochzeitstag, als ich sie in ihrem süßen Dirndl betrachtet hatte, habe ich doch noch bei mir gedacht, dass ich ihr nie wehtun wollte. Sie muss zur Arbeit und ich sage ihr, sie könne das Auto nehmen, ich fahre heute nicht nach München. Christa nickt nur traurig und geht ins Bad. Nachdem sie in der Küche allein gefrühstückt hatte, verließ sie ohne einen Gruß das Haus.

Im Juni 1971 kam unsere Tochter Petra auf die Welt. Mir ging es von Tag zu Tag wieder schlechter, immer wieder versäumte ich meine Arbeit ohne eine Entschuldigung, immer wieder war ich betrunken und für die Menschen die mich liebten, kaum noch zu ertragen. Dr. Roland hatte schon längst erkannt was mit mir los war und ließ sich von meinen Lügen nicht mehr täuschen. Trotzdem verschrieb er mir immer wieder ein Mittel gegen die Alkoholsucht. Alkoholsucht.... ein Wort welches ich bis dahin nie gekannt haben wollte und welches bestimmt auf viele Säufer zutraf aber doch bitte nicht auf mich. Immerhin konnte ich kontrolliert trinken und hatte das auch mehr als nur einmal bewiesen und außerdem trank ich keinen Fusel und schlief nachts nicht unter den Isarbrücken in München, sondern hier in einem schönen Haus am bayrischen Ammersee, hatte also ein wunderschönes zu Hause und damit auch ein Dach über den Kopf. Und ich hatte einen wunderbaren Beruf, in dem ich immer wieder aufs Neue gezeigt habe, was ich kann. Ich war immer gut gekleidet und zivilisiert in meinem Umgang mit meinen Mitmenschen, kurz gesagt ich war weit davon entfernt ein Säufer zu sein und Alkohol süchtig. Aber zurück zu Dr. Roland, er verschrieb mir das Medikament Distraneurin. Zwei bis drei Kapseln sollte ich täglich nehmen und ja keinen Alkohol trinken. Ich aber nahm mehr als die doppelte Menge dieser gelben Kapseln und spülte sie mit Bier hinunter. Also schickte er mich in eine Klinik. Die ersten drei Tage hing ich an einer Infusion und nach weiteren sechs Tagen durfte ich wieder nach Hause. Wie bitte, hätte mir das helfen sollen.

Es kam wie es kommen musste, ich verlor wieder einmal eine gut bezahlte Arbeit und machte mich kurzer Hand selbstständig. Das sollte keine so gute Idee sein. Und es ist wieder ein Tag an dem ich mich miserabel fühle, aber heute habe ich eine wichtige Gestaltung eines Lokals in Niederbayern zu erledigen. Ich fahre rechts an den Rand der Straße und nehme einen tiefen Schluck aus der Flasche mit dem Steinhäger. Unangenehm beißend rinnt der Alkohol die Kehle hinunter und vom Magen her überflutet mich das so geliebte Gefühl der Wärme und Geborgenheit. Trotzdem ist mir übel und eine unheimliche Enge im Auto macht mir unbeschreibliche Angst. Ich fühle mich eingesperrt und sehe dunkle Schatten vor meinen Augen. Ich höre mein Herz in mir schlagen und der Hals ist wie zugeschnürt. Ich bekomme keine Luft mehr. Ich kann das Fenster noch herunter kurbeln und zittrig die halbleere Flasche an die Lippen setzen. Der Fusel rinnt mir in den Kragen aber dem Geruch schmecke ich nicht. Ich muss nach Hause, ich muss umkehren, ich halte das nicht mehr aus und will weg von dieser Straße. Ich trinke nochmals und ich bekomme wieder Luft. Der Motor heult auf als ich den Wagen wieder anlasse. Wo bin ich überhaupt? Ich gebe Gas. Die flache Landschaft fliegt schemenhaft an mir vorbei. Was tue ich denn da überhaupt, lieber Gott ich muss zu dem Lokal fahren, fahre ich in der falschen Richtung? Die Reifen schreien pfeifend auf als ich ohne zu überlegen auf die Bremse trete. Ohne in den Rückspiegel zu sehen, reiße ich das Steuer herum. Ein ohrenbetäubendes Hupen begleitet das riskantes Wendemanöver. Über den Grasstreifen auf der anderen Straßenseite, komme ich zurück auf die Fahrbahn. Alles noch mal gut gegangen denke ich noch als die Autos hinter mir weiterhin ihr Hupkonzert veranstalten. Ich muss innerlich lachen, was wollen die bloß alle? Vor mir blinken Scheinwerfer auf. Was soll denn das mitten am helllichten, sonnigen Vormittag. Sind die alle verrückt geworden. Vor mir taucht der Kühlergrill eines großen Wagens auf, auf meiner Seite, ist der denn total besoffen? Neben mir winkt mir einer aus seinem Auto zu. Was will denn der von mir? Hallo, grinse ich zurück und steige voll in die Bremsen. Weg ist der Winkende. Irgendwie bin ich wieder im Gras auf dem Seitenstreifen gelandet. Ein dumpfer Schlag lässt mich zusammen zucken und hinter mir kreischen Bremsen als auch schon die Tür auf meiner Seite aufgerissen wird. "Mensch, bist du von allen guten Geistern verlassen oder willst du dich und alle anderen umbringen!" Ich muss hysterisch gelacht haben und der Mann in der Autotüre drehte sich zu einem hinter ihm Stehenden um "der ist ja völlig besoffen, kann mal einer die Polizei rufen?" und mit einem schnellen Griff hatte er die Schlüssel aus dem Zündschloss gezogen. "Moment mal..." wollte ich überheblich einen Satz beginnen, aber der unangenehme Zeitgenosse in meiner Wagentüre hatte mich bereits aus dem Auto heraus gezogen und um Widerstand zu leisten, war ich plötzlich viel zu müde. Dass mein Blutalkoholspiegel 3,33 Promille ergeben hat, sollte ich sehr schnell erfahren und dass damit der Führerschein weg war konnte selbst mein derzeitiger Zustand nicht wegretuschieren. Ich war auf den Boden meiner Realität aufgeschlagen.

Am 6. August 1974 wurde unsere zweite Tochter geboren. Christa war tapfer wie auch beim ersten Mal. Karin sollte das kleine dunkelhaarige Mädchen heißen und auch wie beim ersten Mal kam Töchterchen Karin in München Pasing zur Welt.

Ein Jahr später, es war in München Oktoberfestzeit. Meine Erinnerung an diesen Nachmittag auf der Wiesn und wie ich überhaupt allein und mit der S-Bahn nach Hause gekommen bin, ist in der völligen Dunkelheit meines Gedächtnisses begraben. Am Wochenende habe ich mich nur mit weiterem Trinken über den Sonntag retten können, trotzdem war ich nicht in der Lage zur Arbeit zu fahren. Christa musste mich entschuldigen und gleich anschließend noch Dr. Karl holen. Irgendwie muss der mir eine Spritze gegeben haben denn ich schlief - halb bewusstlos - bis in den nächsten Tag hinein. Ich befand mich auch nach dem Aufwachen noch wie in einem langen Dämmerzustand als Christa anscheinend vom Arzt zurück kam. Sie redete sehr lieb und ruhig mit mir, wie es eigentlich schon immer ihre Art gewesen ist. Sie sagte auch etwas wie "...dass ich doch nun wirklich etwas unternehmen sollte. "...sieh' mal Claus, so kann es doch nicht weiter gehen, du machst dich doch kaputt." "...und dann die beiden Mädels, die sollen doch einmal stolz auf ihren Papa sein." "...und ich werde immer zu dir halten, was auch kommt, aber du musst etwas tun." und dicke Tränen liefen über ihr hübsches Gesicht. Christa weinte und verschwommen sah ich, dass trotzdem ein Lächeln in ihrem Gesicht war. Wie schön sie doch war, dachte ich noch bei mir. "...schau mal, wenn du allein es willst und einwilligst, dass du von selbst in eine Klinik gehst, könnte dir sehr schnell geholfen werden, sagt Doktor Karl." "...damit es dir im Moment etwas besser geht, kannst du auch noch ein paar Flaschen Bier trinken." Ich wusste nichts und ich dachte auch an nichts, ich sah nur noch meine Christa und dass sie weinte und ich unterschrieb den kleinen Zettel den sie mir hingelegt hatte. Ein kleiner rosafarbener Zettel sollte mir helfen können...? Christa sagte noch, dass sie mich in die Klinik nach Haar bringen würde und wir hätten Zeit, ich solle mich in Ruhe waschen und rasieren und danach anziehen. Wie ein braves Kind gehorchte ich Christa. Wie recht sie doch mit allem hatte. Ich kann es doch versuchen. "Ja Christa, ich werde es versuchen..." sagte ich laut und deutlich zu ihr und "...ich werde mit dir mitkommen, bringe mich wohin du willst, aber bitte hilf mir!" Irgendwie war ich mit meiner Kraft am Ende und ich war für etwas bereit und konnte nicht wissen was es war...

Ich hatte meinen grauen Trachtenanzug, den von der Hochzeit angezogen und ein weißes Hemd und eine passende Krawatte. Christa hatte in der Zwischenzeit für mich einen kleinen Koffer mit den nötigsten Dingen gepackt und wir gingen hinunter in die Tiefgarage zum Auto und Christa fuhr los. Nach den drei oder vier Flaschen Bier die ich trinken durfte, ging es mir richtig gut und ich sagte das auch zu Christa. Sie fuhr quer durch München auf die Wasserburger Landstraße und in Haar direkt hinüber zum Landeskrankenhaus. Beim Pförtner zeigte Christa den Einweisungsschein und damit konnten wir auf dem riesigen Gelände bis zum Parkplatz von Haus Zwölf durchfahren. Ich nahm meinen Koffer und zusammen gingen wir durch die Eingangshalle hinauf in den ersten Stock. Links war eine Türe mit einer matten Glasscheibe, daneben an der Wand ein einfaches Metallschild mit der Aufschrift "Station 3" und darunter ein Klingelknopf. "Bitte läuten!" stand darauf und Christa drückte auf den Knopf. Ich hatte das Gefühl das sie zitterte. Doch schon öffnete sich die Tür und eine Schwester ließ uns eintreten. Hinter der Türe begann ein Gang mit einigen hellen Holztüren auf jeder Seite und gleich rechts befand sich eine Art großer Glaskasten mit einem riesigen Schreibtisch an dem ebenfalls eine Schwester uns freundlich anlächelte. "Grüß Gott" sagte die erste Schwester nun ebenfalls und wendete sich mir zu "Sie begleiten Ihre Frau zu uns." "...wahrscheinlich haben wir aber gar kein Bett mehr frei." Christa wurde ganz weiß im Gesicht und sie schien sichtlich zu erschrecken: "Nein bitte, nicht ich, mein Mann soll hier bleiben" und "bitte helfen sie uns,... bitte!" Die Schwester schien verwirrt, betrachtete mich ungläubig und sagte schnell "Also sie sollen hierbleiben, na dann warten sie bitte einen Moment, ich hoffe wir finden noch ein Bett für sie." Sie verschwand, doch gleich darauf kam sie zurück und bat mich, ihr zu folgen. Christa stand immer noch bleich und sehr verlassen neben dem Glaskasten als ich nur noch ein leises "mach's gut, Schatz" stammeln konnte und der Schwester mit meinem Koffer nach hinten folgte. Als ich mich noch einmal umdrehte schien Christa immer noch verzweifelt zu versuchen, alles eben Erlebte zu begreifen. Sie tat mir auf einmal wieder unendlich leid, nur hatte ich im Moment gar nicht die Möglichkeit einen klaren Gedanken zu fassen, noch hätte ich gewusst wie ich ihr gerade jetzt helfen könnte, da die Glastüre bereits hinter ihr ins Schloss fiel...

Ganz hinten an der Querseite der Station war ein großes Zimmer in welches ich der Schwester folgte. An der Seite befand sich eine große Glasscheibe und dahinter Instrumente und ein Schreibtisch. Und in der Mitte stand nur ein einziges Bett. Ich war wieder auf einer Intensivstation und das gleich von Anfang an - ich machte mir darüber im Moment keine allzu großen Gedanken. Ich durfte mich ausziehen und den Schlafanzug anziehen, den Koffer nahm die Schwester mit und ich lag allein auf dem einzigen Bett. Hinter der Scheibe erkannte ich noch die Schwester welche mich gebracht hatte und eine zweite Schwester. Die beiden schienen sich zu unterhalten während sie immer wieder durch die Scheibe zu mir herüber schauten. Ein Arzt kam und begrüßte mich kurz, gleich darauf wurde mir Blut abgenommen und ich bekam eine Spritze. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren und alles was nun folgte habe ich nur als bösen Traum erlebt. Wie gnädig mein Gott doch sein kann. Bilder aus meinem Leben schienen vorbei zu schweben. Gedankenfetzen zerrissen die Realität und bizarre Wachträume gaukelten mir Flaschen und immer wieder Flaschen vor, welche ich teils genussvoll und teils ekelerregend immer und immer wieder austrinken musste. Wilde Fantasien und böse Träume schienen mich zu erwürgen. In mir war kein Platz mehr für Schönes und Verlockendes. Alles Elend meiner kaputten Welt schien über mir zu zerbersten und ich wurde begraben von der wahnwitzigen Idee ein glücklicher Mensch zu sein. Bitte, bitte, lasst es nicht zu, dass ich in meiner verzweifelten Welt wieder aufwachen muss, bitte, bitte. Ich muss es immer wieder und wieder geschrien haben und mein Bewusstsein erfüllte meinen Wunsch, ganz leise und doch schmerzlich real fand ich einen Tag später zurück in meine Wirklichkeit, die trotzdem noch so weit von mir entfernt war...

Das war der Tag an dem ich meinen letzten Schluck Alkohol getrunken habe. Noch in der Klinik lernte ich die Anonymen Alkoholiker kennen. Auch wenn ich nicht gleich begriff, was es soll, wenn einer sagt "...mein Name ist ...und ich bin Alkoholiker!" Später beim Meeting in allen AA-Gruppen, die ich besucht habe, werde ich es sein der sagt, "...mein Name ist Claus und ich bin Alkoholiker".

Nun bin ich seit über 35 Jahren trocken, ohne je wieder einen Schluck Alkohol getrunken zu haben. Keinen Hustensaft und kein Mundwasser, kein Stück Schwarzwälder-Kirschkuchen im Cafe und keinen Eisbecher mit einem Spritzer Eierlikör im sonnigen Italien. Nichts was in irgend einer Form mit dem Wort Alkohol in Verbindung gebracht werden könnte... seit jenem Tag im November 1975 als ich in das Landeskrankenhaus in München Haar eingeliefert wurde und danach Hilfe unter Freunden fand... bei den Anonymen Alkoholikern. Und auch im ganz normalen täglichen Leben sind viele dieser AA-Freunde auch heute noch meine echten Freunde.

Ich habe 2010 meine Geschichte in Form eines spannenden Romans geschrieben und beim Epubli- Verlag veröffentlicht. Nun ist mein Buch auch als preiswertes eBook in allen gängigen eBook-Shops erhältlich. Meine Geschichte bietet all denen Mut und Hoffnung an, die Hilfe suchen. Ein noch "nasser Alkoholiker" wird dieses Buch wohl kaum lesen, aber ein Partner, eine Mutter vielleicht, oder ein Freund, wird beim Lesen meiner Geschichte sehr schnell feststellen, dass alles so harmlos beginnt und fast immer in einer Katastrophe enden kann. Dass es aber auch einen Weg aus dieser Krankheit gibt, wenn man nur bereit ist, sein Leben zu ändern.

...und im nächsten Jahr werde ich, so Gott es will, 80 Jahre alt.

euer Claus Wolfgang Hemmann

 
 
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